Christoph Keilmann CEO Munich Show
04. Juli 2024
Herr Keilmann, das erste Halbjahr 2024 ist vergangen. Die Sommerpause bietet eine gute Gelegenheit zum Rückblick auf die ersten sechs Monate und für einen Ausblick auf den Herbst. Wie lief es bisher für Sie?
Aus Sicht der Munich Show bin ich sehr zufrieden. Wir konnten uns schon im letzten Jahr endgültig von den Corona-Nachwirkungen befreien und verzeichnen jetzt mehr Anmeldungen als je zuvor. Das freut mich vor allem deshalb, weil es zeigt, dass unsere Anstrengungen der letzten Jahre, der Branche eine verlässliche Handelsplattform, aber auch einen Ort der Inspiration und des Austausches zu bieten, gewürdigt werden.
Welchen Problemen sehen Sie sich aktuell gegenübergestellt?
Wir stehen vor erheblichen Herausforderungen in Form der exorbitant gestiegenen Kostenstruktur. Hier geht es vor allem um die Lohn- und Energiekosten, aber auch um die immer aufwändiger werdenden bürokratischen Hindernisse. Wenn man alle beteiligten Dienstleister einrechnet, kommt man auf mehrere hundert Menschen, die für die Munich Show im Einsatz sind. Lohnsprünge von 20 bis 30 % kann man da nicht in vollem Umfang an die Aussteller weitergeben, sondern muss sie selbst auffangen. Hinzu kommen die realitätsfernen Anforderungen seitens der Politik, die uns als kleines Familienunternehmen mit Aufgaben belasten, die selbst Fachabteilungen von Großunternehmen ans Limit bringen.
Wie schätzen Sie die Situation in der Branche ein?
Hier zeichnet sich für mich ein ähnliches Bild. Gleichzeitig ist zum Glück nach wie vor viel Leidenschaft im Spiel – egal, ob man mit Ausstellern aus den Bereichen Sammlermineralien oder lose Edelsteine spricht oder mit Schmuckdesignern und großen Marken. Es gibt viele großartige Ideen, auch in dieser Zeit ein gutes Geschäft zu machen.
Wie wappnen Sie sich für die zweite Jahreshälfte?
Ich bin optimistisch für den Jahresendspurt. Die wichtigste Botschaft für mich ist: Es geht weiter! Wir arbeiten in einer Branche und mit Produkten, die Freude bereiten, Wertschätzung bedeuten und Augen zum Leuchten bringen. Je größer die Herausforderungen, desto mehr davon brauchen wir.
Die Herbstmessen erleben gerade einen Umbruch. Nach einer Weile der Euphorie und neuer Konzepte erlebt mancher Betreiber aktuell Rückschläge. Woran liegt das?
Der Herbst ist für die Schmuckbranche eine spannende Jahreszeit – in den letzten Monaten des Jahres erzielt der Handel schließlich 80 % seines Jahresumsatzes. Die klassischen Herbstmessen setzen ihren Fokus dabei auf unmarkierten Schmuck und stehen als Cash & Carry-Veranstaltungen nah am Endverbraucher. Diese Art von Messe hat den Vorteil, dass ein Händler nicht lang in Vorleistung gehen muss, sondern sich an zwei Tagen für das Geschäft der kommenden Wochen eindecken kann. Bedient wird hierbei überwiegend das untere und mittlere Preissegment auf regionaler Ebene, und es zählt der Abverkauf statt der Inszenierung. Einige neue Ansätze der letzten Jahre basierten dagegen auf einer anderen Idee: dem Markenschmuck eine Plattform zu geben. Marken stellen jedoch ganz andere Anforderungen an das Niveau einer Messe als es White-Label-Hersteller tun, und mit diesen Ansprüchen gehen deutlich höhere Kosten einher. Viele Marken waren aber nicht bereit, diese zu tragen. Es hat sich klar gezeigt, dass Anspruch und Preisbereitschaft in Deutschland oftmals nicht übereinstimmen, weswegen sich einige große Veranstaltungen nicht tragen konnten.
Wie kann sich die Gemworld in dieser herausfordernden Ausgangslage so stabil halten?
Die Gemworld hat einen entscheidenden Vorteil aufgrund ihrer Anbindung an die Munich Show und wegen ihres starken Fokus auf internationale, lose Edelsteine. Durch ihr europaweit einzigartiges Rohsteinangebot ist die Gemworld auch für Verarbeiter und Marken interessant, die von Anfang an die Kontrolle über die von ihnen verwendeten Edelsteine behalten möchten. Deshalb sind sowohl die Gemworld als auch die Munich Show für alle im Edelsteinbereich tätigen Fachleute unglaublich wertvolle Gelegenheiten zum Entdecken, zum Austausch, zur Marktbeobachtung und zum Ausbau des eigenen Wissens. Es ist genau diese Verbindung, die die Gemworld auch als Einkaufsmesse im Herbst für den Schmuckfachhandel so interessant macht. Wir hören immer wieder von unseren Ausstellern, dass die Fachbesucher der Gemworld außergewöhnlich kompetent und leidenschaftlich sind. Dies gilt für Goldschmiede und Verarbeiter genauso wie für die Händler, die sich bei uns für das Weihnachtsgeschäft eindecken.
Was erwarten Sie, wie sich die Herbstsaison in Zukunft entwickeln wird?
Der Herbst wird weiterhin ein sehr attraktiver Zeitraum bleiben, da sich die Kaufmotive der Endkunden nicht geändert haben. Zwar wird auch die Online-Order seitens des Fachhandels beim Großhandel immer bedeutender, dennoch geht es bei uns in hohem Maße um das haptische Erlebnis. Zudem sind Steine sehr individuell, und auch Kettenstränge oder Armbändchen will der Händler für seine Kunden selbst aussuchen. Wo ich eine Chance für den Markenschmuck sehe, sind endverbraucherorientierte Boutique-Veranstaltungen, auf denen sich gerade die kleinen und mittelgroßen Manufakturen präsentieren und einen emotionalen Bezug des Kunden zur Marke herstellen können.
Für die Gemworld haben Sie einen Ausstellerrekord angekündigt. Was dürfen die Besucher im Oktober auf der Messe erwarten?
Über 1150 Händler aus über 64 Ländern werden auf die Munich Show kommen – das sind mehr Aussteller als je zuvor. Mit rund 350 teilnehmenden Firmen hat auch die Gemworld einen großen Anteil daran. Für die Besucher bedeutet das in erster Linie eine enorme Bandbreite an Produkten und Qualitäten, aber auch eine große Auswahl innerhalb der Sortimente. Munich Show und Gemworld bieten somit die perfekte Gelegenheit, neue Designs zu entdecken, Preise und Qualitäten zu vergleichen und sich inspirieren zu lassen. Dank unserer einzigartigen Internationalität können Fachhändler bei uns auf Anbieter treffen, die sie sonst in Europa nicht finden, und interessante Kontakte mit ihnen knüpfen. Die Gemworld ist die größte Plattform im deutschsprachigen Raum, wenn es um lose Edelsteine, Diamant- und Farbsteinschmuck oder Gold- und Silberschmuck geht. Und die Präsenz der drei deutschen Fachverbände, relevanter Fachmedien und von namhaften Prüfinstituten unterstreicht die Bedeutung der Gemworld als Networking-Event.
Wird es gelingen, die Begeisterung auf eine neue Generation von Schmuckliebhabern zu übertragen?
Als Branchenplattform mit Außenwirkung auch in Richtung Endverbraucher setzen wir uns seit vielen Jahren für die Nachwuchsförderung ein. Neben dem Schmuckwettbewerb Young Designers Corner und dem New Design Forum präsentieren sich in diesem Jahr auch die Berufsbildende Schule Idar-Oberstein sowie die Goldschmiedeschule Pforzheim auf der Gemworld, um potenzielle Nachwuchskräfte anzusprechen. Ein attraktives Vortragsprogramm rundet das Angebot der Gemworld für Fachbesucher ab. Mit den zwei Fachbesuchertagen am Donnerstag und Freitag haben die Brancheninsider ausreichend Zeit, diese Vielfalt in Ruhe zu entdecken.