Sonderschau 2023: „Art d’objet“
07. Juni 2023
Seit den Ursprüngen der Menschheit haben wir eine besondere Beziehung zu Steinen. Es gibt Hinweise darauf, dass bereits unsere Vorfahren eine halbe Million Jahre vor dem Auftauchen der Gattung Homo grobe Steinwerkzeuge herstellten, und diese Beziehung hat sich so vertieft, dass die menschliche Existenz in ihrer heutigen Form ohne Mineralien nicht denkbar wäre. Die frühen Menschen erkannten jedoch nicht nur den Nutzen von Steinen und Mineralien, sondern schätzten auch ihre Schönheit. Wie Krähen, Raben und Elstern fühlen sich auch die Menschen von glänzenden, funkelnden Dingen angezogen.
Irgendwann vor etwa 30 000 Jahren wurde der Mensch wieder kreativ und befriedigte das Bedürfnis, seine Beobachtungen oder Ereignisse zu dokumentieren, und brachte etwas Einzigartiges hervor: die Kunst.
Sowohl das Interesse der Menschen an Mineralien als auch an der Kunst entwickelte sich im Laufe der Zeit. In der Renaissance und im Zeitalter der Aufklärung erlebten Kunst und Wissenschaft eine Blütezeit, und Kuriositätenkabinette, die häufig Mineralien enthielten, wurden populär. Dieses Interesse, die Schönheit natürlicher Objekte kennenzulernen und zu bewundern, musste natürlich auch dokumentiert werden.
Conrad Gessner (1516-1565), ein Schweizer Naturforscher und Arzt, veröffentlichte Mitte des 16. Jahrhunderts „Historia animalium“. Obwohl sich dieses einflussreiche Buch in erster Linie mit Tieren befasste, enthielt es auch handkolorierte Illustrationen verschiedener Mineralien und Edelsteine und war damit eines der frühesten Beispiele für farbige Darstellungen von Mineralien.
In den folgenden Jahrhunderten gewann die wissenschaftliche Erforschung und Klassifizierung von Mineralien an Bedeutung, während gleichzeitig die künstlerischen Qualitäten der Mineralienwelt geschätzt wurden. Mineralogen und Naturforscher gewannen nicht nur viele Erkenntnisse über die chemischen und physikalischen Eigenschaften der Mineralien, sondern auch Sammler und Kenner erkannten die erlesene Schönheit der natürlichen Formen und Farben der Mineralien. Heute erwerben viele Sammler Mineralien fast ausschließlich als natürliche Kunstobjekte.
Auch die Darstellung von Mineralien in der Kunst hat sich weiterentwickelt. Das künstlerische Geschick, das für eine wirkungsvolle Dokumentation erforderlich ist, lässt sich an einigen der Farbtafeln in frühen Büchern erkennen, die sogar einen eigenen Sammlerstatus erlangt haben. Mit der Entwicklung von Materialien und Fertigkeiten stieg auch das Qualitätsniveau der Mineralienkunst, so dass es im letzten halben Jahrhundert eine Reihe von Werken gibt, die nicht nur zur Illustration, sondern auch für sich selbst geschaffen wurden. Und jenseits des Hyperrealismus werden Mineralien heute in Werken dargestellt, die man nur als von Mineralien inspirierte Kunst bezeichnen kann und die wirklich das Produkt des kreativen Geistes und der Hand eines Künstlers sind. Mineralienkunst ist Teil der Mineralienkultur: die Interaktion von Menschen mit Mineralien.
Die Ausstellung Art of Minerals auf der Münchner Messe bietet dem Betrachter die Möglichkeit, in diese Kultur einzutauchen und sie zu erleben. Fabelhafte Werke von Künstlern werden mit den Naturwundern gepaart, die sie inspiriert haben. Die Ausstellung beginnt mit historischen Exemplaren und den seltenen Originalbüchern, in denen sie abgebildet sind (darunter der Turmalin, den Oberstleutnant Michael Symes 1795 vom König von Ava geschenkt bekam und der in Sowerby’s Exotic Mineralogy (Tafel 89, Sowerby 1812) abgebildet ist), führt die Ausstellung in eine zentrale Galerie, die moderne Werke von Meistern wie Eberhard Equit, Hildegard Königshofer, Gamini Ratnavira, Fred Wilda und Wendell Wilson sowie von aufstrebenden Künstlern wie Ksenia Levterova, Tama Higuchi, Stefanie Berens und Chris Smith-Duque zeigt. Der letzte Teil der Sonderausstellung zeigt schöne Beispiele von Kunst, die von Mineralien inspiriert ist.